60. Jahrestag der Hinrichtung und 10. Jahrestag der Namengebung

von | 21.01.2005

In diesen Tagen jährt sich zum 60. Male der Jahrestag der Hinrichtung von Nikolaus Groß. Am 23. Januar 1945 wurde der Patron unseres Abendgymnasiums gemeinsam mit neun anderen Männern des deutschen Widerstandes gegen Hitler in Berlin-Plötzensee erhängt. Wenige Tage später, am 27. Januar 1945 wurde das Konzentrationslager Auschwitz von russischen Truppen befreit. Wenn wir im Jahre 2005 diese Gedenktage begehen, dann gehen unsere Gedanken zurück an den 25. Januar 1995, als der damalige Bischof von Essen, Dr. Hubert Luthe, unsere Schule nach Nikolaus Groß benannte und der Schulgemeinde eine Gedenktafel überreichte, die sich jetzt im Eingang der Schule befindet.

In meiner Rede aus Anlass der Feier der Namengebung, die in der Alten Synagoge begann und in der Aula unserer Schule endete, habe ich damals das geistige Erbe des deutschen Widerstandes gewürdigt und das Versprechen gegeben, dass sich die Schule nach Maßgabe ihrer Möglichkeiten einsetzen wird, das Lebenswerk von Elisabeth und Nikolaus Groß und seiner Ehefrau gemeinsam mit unserem Bistum und mit der katholischen Arbeiterbewegung im Ruhrgebiet und auch darüber hinaus bekannt zu machen.

Im Rückblick auf die letzten 10 Jahre können wir feststellen, dass diese Schule ihr Versprechen gehalten hat. In enger Kooperation mit ihrem Schulträger und mit der Familie Groß, der ich bei dieser Gelegenheit ausdrücklich für ihre nie versagende, dauerhafte und zuverlässige Unterstützung danken möchte, sind hier bei uns im Ruhrgebiet Formen der Erinnerung entstanden, die in diesem Facettenreichtum sicherlich als einzigartig zu bezeichnen sind und immer wieder neu von den Menschen im Ruhrgebiet selbst spontan und ohne Aufforderung von oben initiiert worden sind. Ich erinnere dabei ohne Anspruch auf Vollständigkeit an:

  1. Die Ausstellung über das Leben der Familie Groß auf der ersten Etage, die wir jetzt – mit der großzügigen Unterstützung des Fördervereins – hinter Glas gestellt haben.
  2. Das große Schild an der Rückseite unserer Schule, das jeden, der mit dem Zug in die Stadt Essen einreist und abreist, weithin sichtbar auf unsere Schule und auf ihren Namengeber hinweist.
  3. Der Festakt aus Anlass des 100. Geburtstages von Nikolaus Groß am 30. September 1998 hier in der Aula unserer Schule.
  4. Die Entwicklung eines themenbezogenen Schulbuches für den Geschichtsunterricht in der gymnasialen Oberstufe und die Behandlung dieses Themas im Unterricht mit entsprechender Vorlage von Prüfungsaufgaben.
  5. Die Fertigstellung einer Internetpräsentation mit ca. 1800 Einzelseiten, die wir unter das Leitwort „Ein Netz für die Menschenwürde“ gestellt haben.
  6. Das Musical „Nikolaus Groß“, das am 30. September 2001 von der Pfarrgemeinde St. Barbara in Mülheim-Dümpten vor über 5000 überwiegend jungen Menschen in der Grugahalle Essen aufgeführt wurde und auch in diesen Tagen immer wieder neu aufgeführt wird.
  7. Die Neuauflage des Buches „Sieben um einen Tisch“ auf Initiative und mit einem besonders lesenswerten Beitrag von Bernhard Groß, dem jüngsten Sohn von Nikolaus Groß.
  8. Die Einrichtung der neuen Nikolaus-Groß-Kapelle im Dom zu Essen – ein bewusster Kontrapunkt, so wie ich es empfinde, zur Zerstörung der Erinnerung, der Trauer und des Gedenkens in Berlin-Plötzensee. Die Nationalsozialisten haben – wie wir heute wissen – vergeblich versucht, die Erinnerung an die Männer und Frauen des deutschen Widerstandes dauerhaft, ja, tausendjährig, zu zerstören, indem sie ihre Körper nach der Hinrichtung verbrannt und ihre Asche über die Rieselfelder verstreut haben. Die Kirche im Bistum Essen setzt ihnen – auch dies singulär in einem deutschen Dom -bewusst ein tausendjähriges Denkmal.
  9. Das Museum in Niederwenigern – gegenüber dem Dom – erinnert in einer besonderen Ausstellung – an das Leben von Elisabeth und Nikolaus Groß. Niederwenigern ist ihr Geburtsort.
  10. Aus Anlass des 10. Jahrestages unserer Namengebung haben wir ein neues Messgewand und vier Stolen für unseren Schulgottesdienst erworben und einen Kelch zur gleichen Thematik in Auftrag gegeben.

Auch der Papst und mit ihm die Weltkirche haben das Glaubenszeugnis von Nikolaus Groß gewürdigt und im Jahre 1988 – kurz nach dem Besuch des Papstes im Parkstadion – ein Seligsprechungsverfahren eingeleitet, das am 07. Oktober 2001 abgeschlossen werden konnte. Wenn der Papst Nikolaus Groß als einen Fürsprecher für die Familie, die Welt der Arbeit, den Journalismus und den Antirassismus bezeichnet, dann gibt er auch unserer Schule einen Auftrag für die Zukunft. Wer wollte bestreiten, dass auch in der heutigen Zeit – in unserer Gesellschaft und weltweit – die Würde des Menschen in all diesen gesellschaftlichen Bereichen bedroht und gefährdet ist. Wenn wir uns heute mit Zivilcourage für die christlichen Grundwerte einsetzen, dann nehmen wir Maß am Beispiel von Nikolaus Groß und vielen seiner Mitstreiter. Wir verklären ihr historisches Beispiel nicht im Lichte eines nostalgischen Rückblicks sondern zeigen uns als ihre Erben und Testamentsvollstrecker.

Eine große Chance, dieses Thema mit den Anliegen der Jugend zu verbinden – in weltweiter Dimension – ist der vor uns liegende Weltjugendtag im Bistum Essen. Zeigen wir der Welt, dass das Ruhrgebiet ein starkes Stück Deutschland ist – mit glaubensstarken Persönlichkeiten, die auch heute noch die Glut entfachen und junge Menschen mit ihrem persönlichen Beispiel anstecken können. Machen wir den Weltjugendtag und den Katholikentag auch zu einem Ausgangspunkt einer weltweiten Verehrung, die eines Tages in der Heiligsprechung von Nikolaus Groß münden könnte.

Nikolaus Groß – auch dies sollten wir nicht vergessen – ist einer von uns: Ein Bergarbeiter aus dem Ruhrgebiet, der sich während des Zweiten Weltkrieges weitergebildet und damit die Grundlage für seine spätere Tätigkeit als Chefredakteur der Westdeutschen Arbeiterzeitung gelegt hat. Er ermutigt Sie alle, in die Tiefe zu gehen und Ihren Träumen zu folgen. So ist er – auf Grund seiner Biographie und seines unbeirrten Eintretens für seinen christlichen Glauben und für die Würde des Menschen – mit Recht zu einem Vorbild geworden, den wir heute ehren.