Zu den Sparbeschlüssen der NRW-Landesregierung bei katholischen Schulen äußert sich Dezernent Manfred Nicht vom Bischöflichen Generalvikariat Essen, Dezernat für Erziehung, Schule, Hochschule.
Die Landesregierung hat zum Doppelhaushalt 2004 / 2005 Sparbeschlüsse gefasst, die die Bistümer in NRW mit Erschrecken und großer Sorge aufgenommen haben. Die Realisierung dieser Beschlüsse brächten die Bistümer bei der Weiterführung ihres langjährigen und umfangreichen sozialen Engagements für die gesamte Gesellschaft in harte Bedrängnis und müssten zu einschneidenden Entscheidungen führen. Die angekündigten Kürzungen reißen in der Finanzierung gesetzlicher Aufgaben zusätzliche Löcher, die von den Diözesen keinesfalls aufgefangen werden können.
Betroffen sind u. a. offene Kinder- und Jugendarbeit, Jugendheime, Jugendberufshilfe, Ehe-, Familien- und Lebensberatung und Kindergärten. Zu diesen Bereichen gehören auch die katholischen Schulen.
Die Landesregierung hat ihre Sparbeschlüsse unter den Leitgedanken gestellt „Harte Einschnitte schaffen Perspektiven – Klare Akzente für die Zukunft unserer Kinder“ Nach den Worten der Landesregierung soll der Bereich „Schule und Ganztagsbetreuung“ von Kürzungen nicht nur verschont werden, sie will dort sogar investieren. In diesen für die Zukunft unseres Landes entscheidenden Bereichen setzt sie einen Schwerpunkt.
Nach den ersten Beschlüssen sollten die Eigenleistungen der Schulträger für die laufenden Personal- und Sachkosten unserer Schulen (schrittweise) bis auf 50 % erhöht werden. Aufgrund erster massiver Proteste der katholischen Kirche, die 184 der 420 freien Schulen in unserem Land unterhalten, plant die Landesregierung nun, die Eigenleistung ab dem Jahre 2005 in einem Schritt um 25 % zu erhöhen.
Diese Maßnahme ist nicht hinnehmbar und wegen zurückgehender Kirchensteuermittel nicht verkraftbar; das betonen auch die evangelischen Landeskirchen.
Wir beteiligen uns gern an gemeinsamen Überlegungen, wo und wie Sparen entsprechend plausibler und gebotener Prioritätensetzung möglich ist; zu Kahlschlägen darf Sparen nicht führen.
Wir stimmen den Politikern aus allen Parteien zu, die seit Jahren beteuern, dass gerade dem Bereich „Bildung“ ein vorderer Prioritätenplatz eingeräumt werden muss. Das Recht auf Bildung und schulische Förderung, die den Begabungen und individuellen Voraussetzungen eines jeden Menschen entspricht, ist unbestritten. Weil von der Bildung unserer Bevölkerung auch die Innovationsfähigkeit unserer Wirtschaft abhängt, muss in „Bildung“ investiert werden; das gilt für die staatlichen Bildungseinrichtungen aber in gleicher Weise wie für die staatlich anerkannten Bildungseinrichtungen in freier Trägerschaft, die sog. „Ersatzschulen“.
Von dem Beschluss der Landesregierung sind von den 415 Ersatzschulen in NRW allein 184 Schulen in katholischer Trägerschaft betroffen; das sind Schulen in bischöflicher Trägerschaft, in der Trägerschaft von Ordensgemeinschaften und anderer katholischer Einrichtungen.
Wir halten diesen Beschluss für verfassungswidrig.
Der Beschluss ist nicht mit der Verpflichtung unserer Landesverfassung (Art. 8 Abs. 4) vereinbar, den Schulträgern „die zur Durchführung ihrer Aufgaben und zur Erfüllung ihrer Pflichten erforderlichen öffentlichen Zuschüsse“ zu gewähren; sie haben einen Rechtsanspruch darauf.
Der Beschluss verletzt die Pficht des Staates zur Gleichbehandlung.
Die Landesregierung sieht an den staatlichen Schulen keine Kürzungen vor, sondern investiert in 1000 neue Lehrerstellen und in den Ganztagsbereich. Während der Staat an allen Schulen des Landes die Pflichtstundenzahl der Lehrer erhöht, verlangt er den freien Schulträgern Sonderopfer ab.
Der Beschluss zielt darauf ab, den Staatshaushalt auf Kosten der Kirchen zu sanieren.
Die Kirchen übernehmen durch die Trägerschaft vieler Schulen Kosten, die der Staat aus eigener Schul- und Bildungspflicht übernehmen müsste. Katholische Schulträger stellen – wie andere freie Träger auch – den erforderlichen Schulraum ohne staatliche Zuschüsse zur Verfügung und bringen erhebliche zusätzliche Eigenmittel für weitere Investitionen auf. Die Kirchen unterhalten ihre Schulen mit einem erheblich kostengünstigeren Aufwand als die staatlichen Einrichtungen.
Dieser Beschluss gefährdet die Privatschulfreiheit, einen Auftrag des Grundgesetzes.
Eine plurale, freie, demokratische Gesellschaft erfährt durch ein freies Schulrecht eine wesentliche Bereicherung. Das Grundgesetz (Art. 7 Abs. 4) und gleichlautend unsere Landesverfassung (Art. 8 Abs. 4) haben sich mit dem Grundrecht der Privatschulfreiheit gegen ein staatliches Schulmonopol entschieden. Diesen Auftrag nimmt der private Ersatzschulträger – in großem Umfang die Kirche – wahr.
Der Beschluss gefährdet das elterliche Erziehungs- und Schulwahlrecht.
Mit der Unterhaltung freier katholischer Schulen nimmt die katholische Kirche als einer der bedeutenden freien Träger ideell und materiell ein Verfassungsrecht wahr. Sie bringt damit ihre Mitverantwortung für Erziehung und Bildung und für die Zukunft von Staat und Gesellschaft zum Ausdruck und ermöglicht das im Grundgesetz verankerte elterliche Erziehungs- und Schulwahlrecht.
Der Beschluss gefährdet die Entwicklung des Bildungswesens und der Erziehungsaufgaben.
Die katholische Kirche gestaltet als eine der großen gesellschaftlichen Gruppen ihre Bildungs- und Erziehungsvorstellungen in eigenen Schulen. Sie bringt diese Vorstellungen in die gesellschaftliche Entwicklung und in die öffentliche Diskussion mit ein; insofern leistet sie unter den kulturellen und gesellschaftlichen Bedingungen der Gegenwart einen wichtigen Beitrag für die Innovation des öffentlichen Bildungswesens und der Werteerziehung. Katholische Schulen sind entscheidend an der Beschulung von Menschen mit spezifischem Förderbedarf beteiligt – Kinder in benachteiligten Regionen und gerade auch geistig-behinderte und schwerstbehinderte Kinder.
Katholische Schulen wollen durch ihre Erziehungs- und Bildungsarbeit christliche Sinn- und Wertorientierung in Erziehungspartnerschaft von Eltern, Lehrern und Schülern bewusst und erlebbar machen und dadurch Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung individuell fördern und sie befähigen, in Gesellschaft, Staat und Kirche Verantwortung zu übernehmen und am Aufbau einer gerechten Welt mitzuarbeiten.
Der Beschluss spielt die freien Schulen gegen die staatlichen Schulen aus.
Die durch die Zurücknahme der Kürzungen auf 25 % entstehenden Finanzlücken will der Staat durch Kürzungen im Bereich „Geld statt Stellen“ ausgleichen. Der Staat suggeriert, dass sein „Entgegenkommen“ von den staatlichen Schulen bezahlt werden müsse. Die Kürzungen im Bereich „Geld statt Stellen“ beeinträchtigen den Unterricht insbesondere in Mangelfächern, zu denen auch der Religionsunterricht zählt.
Über den Beschluss der Landesregierung sind Eltern, Lehrer und Schüler aufgebracht.
Zusammen mit den Schulträgern beabsichtigen daher Eltern, Lehrer und Schüler der freien katholischen Schulen im Bistum Essen, am Freitag, dem 14. November 2003, in der Zeit von 15.00 Uhr bis 16.00 Uhr auf dem Burgplatz in Essen in einer Großkundgebung gegen die ungerechtfertigten Kürzungen und damit gegen die unsinnigen Gefährdungen der freien Schulen zu demonstrieren und die gesamte Öffentlichkeit zu informieren.
An der Großkundgebung wird unser Bischof Dr. Genn das Schlusswort sprechen.
Der OB der Stadt Essen, Herr Dr. Reiniger, wird ebenfalls teilnehmen und ein Grußwort sprechen.
Katholische Schulen sind ein Markenzeichen der Katholischen Kirche und des Bistums Essen.
Katholische Schulen sind Leuchttürme in unserer Region Ruhrgebiet.
Die 25 % ige Erhöhung der Eigenleistung der Träger wäre ein Einstieg in den Ausstieg. Deshalb muss diese Erhöhung vom Tisch!