Staat braucht Bildung für Aufsteiger

von | 11.10.2009

Das Ruhrwort vom 10. Oktober 2009 schreibt zum 50jährigen Schuljubiläum folgenden Beitrag:

Minister Laschet: 50jähriges Abendgymnasium hat Weg zum sozialen Fortschritt geebnet

Es war eine Zahl, mit der Minister Armin Laschet beim Gebrutstagsfest des Bischöflichen Nikolaus-Groß-Abendgymnasiums manch einem die Augen öffnete. „Wenn unsere Generation der geburtenstarken Jahrgänge in knapp 20 Jahren in Rente geht, tragen in Essen über 40 Prozent Nicht-Deutsche im Berufsleben Verantwortung.“ Für den Vorrang von Bildung in der Politik und für die besondere Förderung deutscher wie ausländischer Heranwachsender warb der NRW-Familien- und Integrationsminister. Schließlich gefährdeten soziale und Bildungsdefizite schon heute das Fortkommen der Gesellschaft. „Wir brauchen wieder eine Mentalität, dass jeder es schaffen kann, unabhängig von seiner Herkunft.“ Laschet sprach von den nur zehn Prozent der Zuwanderer-Kinder, die heute ein Gymnasium besuchen. Damit verband er im Abendgymnasium sein Plädoyer für ein Bildungssystem auch der zweiten und dritten Chance. „Deutschland auf dem Weg zur Aufsteigerrepublik“, so sein Motto, brauche den zweiten Bildungsweg. Das Ruhrbistum habe 1959 mit seiner ersten Schulgründung, dem Abendgymnasium, Schwerpunkte gesetzt. „Sie haben gezeigt, dass Bildung elementare Voraussetzung für soziale Mobilität ist.“

Dass das Abendgymnasium „berechtigten Grund zum Stolz hat“, bestätigte auch Monika Lenkaitis, Düsseldorfer Dezernentin für Schulen des Zweiten Bildungsweges. „Neben Fachwissen zählen in dieser Schule Respekt voreinander, Disziplin und die Erfahrung, dass in jedem mehr steckt, als man ihr oder ihm ansieht.“ Auch andere Gäste machten deutlich, dass der zweite Bildungsweg sich dem üblichen Verständnis von Schule entzieht.

Allen voran Weihbischof Ludger Schepers: „Hier ist Bildung nicht Ware, die Studierenden sind nicht Kunden, und die Lehrerinnen und Lehrer nicht Dienstleister.“ Bildung im Verständnis eines katholischen Weiterbildungskollegs frage immer nach der richtigen Art des Umgangs mit dem Wissen. Der Weihbischof: „Es geht um einen Umgang, der die Würde des Anderen, in dem wir das Ebenbild Gottes sehen, nicht verletzt.“

Für Musik beim Festakt sorgten der Chor der Schule ebenso wie Julia Graebe (Klarinette) und Annika Becker (Flügel), Grußworte überbrachten auch Bernd Ottersbach, Schuldezernent des Bistums, sowie Bürgermeister Norbert Kleine-Möllhoff (Essen) und Michael Tanz (Studierende des Kollegs).

Schulleiter Bernhard Nadorf hatte zu Beginn das Selbstverständnis und die Geschichte der Schule seit ihrem Start in den Blick gerückt. Motivation zur Weiterbildung sei im Ruhrgebiet immer entscheidend für Menschen gewesen, die hier Wege des Aufstiegs beschreiten wollten. Hier hätten Zuwanderer vor langer Zeit Wurzeln gesucht.

Und mancher überwand Benachteiligung durch Bildung. Nadorf: „Die Gründung des Abendgymnasiums als eine Schule der zweiten Chance ist auch Ausdruck des Bistums, das bundesweit zu Recht als soziales Bistum bezeichnet wird.“ Bischof Hengsbach habe in dieser Gründung sellsorgliche und soziale Komponenten zusammengeführt.

Der Tag endete mit dem Schulfest der Studierenden und Ehemaligen; auch in einer Festschrift lassen sie Schul- und Lebenserfahrungen Revue passieren. Festgäste waren viele der 1922 Abiturienten seit 1962 – darunter Münsters Dompropst Josef Alfers und Kabarettist Dr. Ludger Stratmann.